Infla­ti­on: Rückkehr einer Totgeglaubten?

Zuletzt aktualisiert am: 06.09.2022

Inhalts­ver­zeich­nis

» Veröf­fent­licht am 17.02.2021
» Autor: Axel A. Weber

Die aktuel­len Progno­sen von Banken, Zentral­ban­ken und anderen Insti­tu­tio­nen deuten darauf hin, dass die Infla­ti­on in abseh­ba­rer Zeit kein Problem darstel­len wird.

Axel A. Weber ist ehema­li­ger Präsi­dent der Deutschen Bundes­bank, ehema­li­ges Mitglied des Rates der Europäi­schen Zentral­bank und Verwal­tungs­rats­prä­si­dent der UBS Group AG.

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Der Inter­na­tio­na­le Währungs­fonds zum Beispiel erwar­tet, dass die globa­le Infla­ti­on bis zum Ende seines Progno­se­ho­ri­zonts im Jahr 2025 tief bleiben wird. Doch wer sich zu sehr auf die niedri­gen Infla­ti­ons­pro­gno­sen verlässt, könnte böse erwachen.

Progno­se­mo­del­le haben schon lange Schwie­rig­kei­ten, die Infla­ti­ons­ra­ten vorher­zu­sa­gen und liegen notorisch falsch. Die Pande­mie hat das Handwerk der Konjunk­tur­pro­gnos­ti­ker zusätz­lich erschwert. Progno­se­mo­del­le werden mit Daten der letzten 50 Jahre kalibriert. Das Wirtschafts­geschehen seit dem Ausbruch der Pande­mie ist jedoch in den letzten 50 Jahren beispiel­los. Die heuti­gen niedri­gen Inflations­prog­nosen sind also keines­wegs ein Garant dafür, dass die Infla­ti­on tatsäch­lich tief bleibt.

Auch ohne zusätz­li­chen Teuerungs­druck werden die Infla­ti­ons­ra­ten in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 deutlich anstei­gen. So erwar­tet UBS bis Mai einen Anstieg der Jahresteuerungs­raten auf über 3% in den USA und gegen 2% in der Eurozo­ne. Dieser Anstieg ist jedoch zu einem grossen Teil auf die niedri­ge Basis aufgrund der pande­mie­be­ding­ten Lockdowns in der ersten Jahres­hälf­te 2020 zurück­zu­füh­ren und deutet noch nicht auf steigen­den Infla­ti­ons­druck hin. Erst ein darüber hinaus gehen­der Anstieg wäre ein Warnzeichen.

Es wird zumeist argumen­tiert, dass die COVID-19-Krise defla­tio­när sei, weil die Maßnah­men zur Pande­mie­be­kämp­fung die gesamt­wirt­schaft­li­che Nachfra­ge stärker beein­träch­tigt haben als das gesamt­wirt­schaft­li­che Angebot. In den ersten Monaten der Pande­mie war dies auch mehr­heit­lich der Fall: Im April 2020 fiel der Ölpreis beispiels­wei­se gegen oder sogar unter null.

Betrach­tet man jedoch Angebot und Nachfra­ge im Detail, ergibt sich ein differenzierte­res Bild. So hat die Pande­mie die Nachfra­ge von Dienst­leis­tun­gen zu Waren verla­gert, die aufgrund von Produk­ti­ons- und Trans­por­t­eng­päs­sen teilwei­se teurer gewor­den sind.

Bei der Berech­nung der Verbrau­cher­prei­se werden zwar steigen­de Waren­prei­se teilwei­se durch sinken­de Preise für Dienst­leis­tun­gen, wie Flugrei­sen, kompen­siert. In der Reali­tät haben aber pande­mie­be­ding­te Einschrän­kun­gen dazu geführt, dass der Konsum vieler Dienst­leis­tun­gen stark zurück­ge­gan­gen ist, so fliegen beispiels­wei­se deutlich weniger Menschen. Für viele ist der tat­sächliche Waren­korb also teurer gewor­den als der Korb, den die Statis­tik­be­hör­den zur Berech­nung der Infla­ti­on verwen­det. Folglich sind die tatsäch­li­chen Infla­ti­ons­ra­ten derzeit oft höher als die ausge­wie­se­nen Infla­ti­ons­ra­ten, wie von Studi­en auch bestä­tigt wird.

Nach Aufhe­bung der Mobili­täts­be­schrän­kun­gen im Laufe dieses Jahres droht womög­lich auch bei den Dienst­leis­tun­gen Infla­ti­ons­ge­fahr, sollten die reduzier­ten Kapazi­tä­ten (etwa aufgrund von perma­nen­ten Schlies­sun­gen von Restau­rants und Hotels oder Ent­lassungen von Piloten) nicht ausrei­chen, die Nachfra­ge zu bedienen.

Ein noch grösse­res Infla­ti­ons­ri­si­ko stellen die beispiel­los expan­si­ve Geld- und Fiskal­po­li­tik als Reakti­on auf COVID-19 dar. Nach Schät­zun­gen von UBS belie­fen sich die weltwei­ten Staats­defizite im Jahr 2020 auf 11% des globa­len BIP. Das ist mehr als dreimal so viel wie im Durch­schnitt der voran­ge­gan­ge­nen 10 Jahre. Noch mehr, nämlich um 13% des globa­len BIP, stiegen im letzten Jahr die weltwei­ten Zentralbankbilanzen.

Indirekt wurden somit letztes Jahr die weltwei­ten Staats­de­fi­zi­te durch die Ausga­be von neuem Geld finan­ziert. Das funktio­niert aber nur, solan­ge Sparer und Anleger bereit sind, Geld und Staats­an­lei­hen zu Null- oder Negativ­zin­sen zu halten. Sollten Zweifel an der Werthal­tig­keit dieser Anlagen aufkom­men und Sparer und Anleger dazu veran­las­sen, in andere Anlagen auszu­weichen, würden die Währun­gen der betrof­fe­nen Länder an Wert verlie­ren, was wieder­um zu höheren Verbrau­cher­prei­sen führen würde.

Frühe­re Episo­den übermä­ßi­ger Staats­ver­schul­dung endeten fast immer mit hoher Infla­ti­on. Eine durch einen Vertrau­ens­ver­lust verur­sach­te Infla­ti­on kann schnell und auch aus einer Situa­ti­on der Unter­be­schäf­ti­gung heraus auftre­ten, ohne eine voran­ge­gan­ge­ne Lohn-Preis-Spirale.

Obwohl die expan­si­ve Geldpo­li­tik nach der globa­len Finanz­kri­se 2008 nicht zu einem Anstieg der Infla­ti­on geführt hat, ist dies keine Garan­tie dafür, dass die Infla­ti­on auch dieses Mal niedrig bleibt. Nach 2008 floss die neu geschaf­fe­ne Liqui­di­tät haupt­säch­lich in die Finanz­märk­te. Die derzei­ti­ge Bilanz­aus­wei­tung der Zentral­ban­ken löst jedoch in vielen Ländern große Geldströ­me in die Realwirt­schaft aus, in Form rekord­ho­her Fiskal­de­fi­zi­te und eines rasan­ten Kreditwachs­tums. Zudem erfolg­te die geldpo­li­ti­sche Reakti­on auf die Pande­mie viel schnel­ler und war umfang­reicher als in der letzten Krise.

Demogra­fi­sche Verän­de­run­gen, zuneh­men­der Protek­tio­nis­mus und die fakti­sche Anhebung des Infla­ti­ons­ziels von 2 % durch die US-Noten­bank im vergan­ge­nen Jahr sind weite­re Fakto­ren, die länger­fris­tig zu höherer Infla­ti­on führen könnten. Obwohl diese struk­tu­rel­len Fakto­ren kurzfris­tig keinen Infla­ti­ons­schub auslö­sen dürften, könnten sie ihn aber begünstigen.

Ein starker Anstieg der Infla­ti­on könnte verhee­ren­de Folgen haben. Um die Infla­ti­on einzu­däm­men, müssten die Zentral­ban­ken die Zinsen erhöhen, was zu Finan­zie­rungs­pro­ble­men für hoch verschul­de­te Regie­run­gen, Unter­neh­men und Haushal­te führen könnte. Histo­risch gesehen waren die Zentral­ban­ken meist nicht in der Lage, dem Druck der Regie­run­gen nach anhal­ten­der Haus­halts­finanzierung zu wider­ste­hen. Dies endete oft in sehr hohen Infla­ti­ons­ra­ten, beglei­tet von hohen realen Wertver­lus­ten der meisten Anlage­klas­sen und politi­schen und sozia­len Umwälzungen.

In den letzten Monaten sind Rohstoff­prei­se, inter­na­tio­na­le Trans­port­kos­ten, Aktien und Bitco­in stark gestie­gen, und der US-Dollar hat deutlich an Wert verlo­ren. Dabei könnte es sich um Vor­boten steigen­der Verbrau­cher­prei­se im Dollar­raum handeln. Da die Infla­ti­ons­ra­ten inter­na­tio­nal stark korre­lie­ren, würde eine höhere Infla­ti­on im Dollar­raum das Preis­wachs­tum weltweit beschleunigen.

Das Risiko eines Infla­ti­ons­an­stiegs wird unter­schätzt. Die niedri­gen Infla­ti­ons­pro­gno­sen beruhi­gen meine Befürch­tun­gen nicht. Entschei­dungs­träger der Geld- und Fiskal­po­li­tik, aber auch Sparer und Inves­to­ren sollten das Infla­ti­ons­ri­si­ko nicht vernach­läs­si­gen. Im Jahr 2014 hat der ehema­li­ge Fed-Vorsit­zen­de Alan Green­span einen Infla­ti­ons­an­stieg voraus­ge­sagt und die Bilanz der US-Noten­bank als “einen Haufen Zunder” bezeich­net. Die Pande­mie könnte das Streich­holz sein, das den Zunder zum Brennen bringt.

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